Diese Anleitung ist für die rechtliche Situation in Deutschland, Stand 2021 geschrieben, sollte aber eine ganze Weile lang benutzbar bleiben. So schnell ändern sich die Versammlungsgesetze nicht.
Was ist eine Versammlung?
Eine Versammlung ist immer dann gegeben, wenn ihr euch in einer Gruppe von 2 Personen oder mehr zusammenfindet, um öffentlich politisches Gedankengut zu äußern. Egal ob Demonstration, Flyer verteilen oder Infostand – immer wenn ihr in der Gruppe öffentlich politisch aktiv werdet, sollte das angemeldet werden. So ist es zumindest von Seiten der Polizei und anderer Behörden gerne gesehen.
In diesem How-To werdet ihr den ein oder anderen rechtlichen Begriff lesen und auch ansonsten wirkt der Umgang mit Behörden und Polizei immer etwas unbequem und fremd. Tatsächlich ist eine Versammlungsanmeldung aber wirklich einfach und meist schon mit einer simplen Schreiben erledigt. Dennoch möchten wir euch möglichst umfangreich und bezüglich aller Eventualitäten informieren ;)
Ab wann muss eine Versammlung angemeldet werden?
Konkret solltet ihr ab 2 Personen aufwärts alle öffentlichen Aktionen bei den zuständigen Behörden anmelden. Es handelt sich wirklich nur um eine Anmeldung und es bedarf für eure Aktion keiner Genehmigung. Es ist ganz offiziell ein Bescheidsagen und kein Um-Erlaubnis-Bitten. Zumindest theoretisch haben in Deutschland alle das Recht, die eigene Meinung frei und auch in der Gruppe zu äußern. Offiziell muss die Anmeldung mindestens 48 Stunden vor der ersten Ankündigung an die zuständige Behörde gehen. Die erste Ankündigung ist gegeben, wenn ihr beispielsweise Pressemitteilungen losgeschickt habt, Plakate und Flyer für die Veranstaltung verteilt oder im Internet und anderweitig für eure Kundgebung zu mobilisieren angefangen habt. Es gibt jedoch keine Strafvorschrift, die ein zu frühes Werben für eine Versammlung verbietet. Faktisch kann euch die Frist für die Bewerbung eurer Veranstaltung also egal sein, ihr solltet sie allerspätestens 48 Stunden vor Versammlungsbeginn anmelden. Das Leiten einer Versammlung gänzlich ohne Anmeldung ist nämlich eine Straftat. Einzige Ausnahme ist die Spontanversammlung.
Wo muss angemeldet werden?
Wer für die Anmeldung einer Versammlung zuständig ist, ist nicht einheitlich geregelt und entsprechend ein ziemliches Chaos. Im Zweifel bei eurer Gemeinde / dem nächsten Polizeirevier nachfragen, im Internet nachlesen oder die Anmeldung einfach an alle schicken, von denen ihr denkt, dass sie zuständig sind. Die Behörden sind zudem verpflichtet, eure Anmeldung an die tatsächlich zuständige Stelle weiterzuleiten.
Wir haben hier trotzdem eine Übersicht darüber versucht, wer in welchem Bundesland für die Versammlungsanmeldungen zuständig ist. Damit ihr zumindest wisst, wo ihr mit dem Suchen anfangen könnt.
Baden-Württemberg: | Landratsamt oder Gemeinden |
Bayern: | Kreisverwaltungsbehörden oder Landratsamt |
Berlin: | der Polizeipräsident |
Brandenburg: | Polizeipräsidium |
Bremen: | Ordnungsamt |
Hamburg: | Behörde für Inneres und Sport |
Hessen: | die allgemeinen Ordnungsbehörden |
Mecklenburg Vorpommern: | die Kreisordnungsbehörden |
Niedersachsen: | Landkreis, kreisfreie Stadt, freie Gemeinde, Polizeidirektion Hannover |
Nordrhein Westfalen: | Kreispolizeibehörden |
Rheinland Pfalz: | Kreisverwaltung oder Stadtverwaltung |
Saarland: | Landkreise, der Regionalverband Saarbrücken, die kreisfreien Städte |
Sachsen: | Landratsämter und Städte |
Sachsen Anhalt: | Landkreise, kreisfreie Städte |
Schleswig Holstein: | Kreisordnungsbehörden |
Thüringen: | Landkreise, kreisfreie Städte |
Wie sieht eine Anmeldung aus?
Ihr könnt alles, was ihr als Politgruppe unternehmt, als Versammlung anmelden. Die Anmeldung selbst ist eine formlose und üblicherweise schriftliche Mitteilung, die der zuständigen Behörde zugesandt wird. Dazu, was in einer Anmeldung alles angegeben werden muss, gleich mehr.
Vorsicht bei vorgefertigten Anmeldebögen
Es gibt für die Anmeldungen meistens auch einen vorgefertigten Fragebogen, den ihr ausfüllen und den Behörden zusenden könnt. Den Fragebogen erhaltet ihr meist im Internet auf der Homepage der zuständigen Behörde. Oftmals fragen die Fragebögen auch einiges mehr an Details ab, als zwingend notwendig ist. Diese Angaben könnt ihr freiwillig angeben, müsst es aber nicht. Ihr könnt also bei der Anmeldung auch Felder frei lassen und falls die Versammlungsbehörde meckert, sollen die sich erst mal eine Begründung ausdenken, warum sie die Informationen denn zwingend benötigen. Die gibt es nämlich meistens nicht.
Es kommt auch vor, dass vorgefertigte Anmeldeformulare suggerieren, dass Dinge wie beispielsweise Pavillons extra genehmigungspflichtig wären. Lasst euch davon am besten nicht beirren und meldet trotzdem alles an, was ihr so für eure Versammlung haben wollt. Oft trauen es sich Versammlungsbehörden dann doch nicht, euch Dinge zu verbieten, die sie euch nicht verbieten dürfen. Wenn ihr von vornherein darauf verzichtet, habt ihr allerdings leider Pech gehabt.
Was müssen wir in einer Anmeldung alles angeben?
Veranstalter:in:
Der/die/das Veranstalter:in kann eine Einzelperson, eine Organisation oder eine Vereinigung sein. Es muss die komplette Anschrift angegeben werden.
Ansprechpartner:in:
Das ist die Person, mit der die Behörden kommunizieren. Sie bekommt auch eine Anmeldebestätigung mit Auflagen zugesandt. Eine Person kann Veranstalter:in, Versammlungsleiter:in und Ansprechpartner:in zugleich sein.
Die Versammlungsleitung:
Diese Person ist für den geordneten Ablauf der Versammlung verantwortlich und während der Versammlung Ansprechpartner:in für Polizei und andere Behörden. Die Versammlungsleitung muss während der gesamten Veranstaltung anwesend sein. Eine Versammlungsleitung kann auch während der Versammlung wechseln. Wer Versammlungsleitung ist, wird von dem/der Veranstalter:in – und nur von ihm/ihr/es – bestimmt. Falls ihr wollt, könnt ihr bei der Anmeldung auch gleich Vertretungen für die Versammlungsleitung mit angeben. Angegeben werden müssen bei Versammlungsleitung und ihrer Vertretung der Vor- und Familienname und die Anschrift. Auch sie bekommen eine Anmeldebestätigung mit Auflagen zugesandt. Die Versammlungsleitung muss nicht zwingend volljährig sein oder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Den Platz oder Weg der Veranstaltung:
Also der Platz, an dem ihr steht oder wo ihr lang geht. Hier empfiehlt es sich, möglichst genau zu beschreiben, wo ihr hin wollt. Also Straße, Hausnummer und Sachen wie: auf dem Gehsteig, in Parkbucht so und so oder direkt am Denkmal XY. Je mehr Interpretationsspielraum ihr den Behörden lasst, desto leichter können sie euch an einen anderen Ort als von euch geplant platzieren (ob gewollt oder ungewollt). Wenn euch ein Ort verwehrt wird, muss das rechtlich begründet sein. Beispielsweise, weil an dem Ort bereits eine andere Versammlung stattfindet. Die Hürden, euch einen Versammlungsort zu verbieten, sind aber sehr hoch und es muss euch immer eine Alternative angeboten werden. Ihr habt ein Recht, in Hör- und Sichtweite von Objekten zu demonstrieren. Lasst euch das nicht nehmen. Einzig um bestimmte Regierungsgebäude und Gedenkstätten gibt es sogenannte Bannmeilen, in denen keine Versammlungen stattfinden dürfen.
Sonderfall Privatgelände:
Es gibt im öffentlichen Raum immer wieder Flächen, die in Privatbesitz sind, aber trotzdem öffentlich genutzt werden. Zum Beispiel Bahnhöfe, Flughäfen, Unis, Kaufhäuser. Auf diesen Flächen könnt ihr auch eine Demonstration durchsetzen. Die jeweiligen Behörden werden da vermutlich sehr meckern, aber es gibt höchstrichterliche Rechtsprechung, die euch genau das erlaubt.
Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (1 BvQ 25/15) muss eine Demo auch auf privatem Gelände erlaubt werden, wenn das Gelände dem „allgemein öffentlichen Verkehr“ zugänglich ist.
Zeit und Datum der Veranstaltung:
Also einfach, an welchem Tag und von wann bis wann eure Versammlung stattfinden soll. Gebt hier lieber etwas mehr Zeit an, als ihr benötigen werdet. Es ist für euch überhaupt kein Problem, die Versammlung vorzeitig zu beenden oder etwas später anzufangen. Falls ihr ohne Anmeldung gerne noch eine halbe Stunde weiter machen wollt, ist es einzig und allein die Toleranzbereitschaft der Polizei, die euch dies erlaubt oder verbietet.
Das Thema der Veranstaltung:
Hier empfiehlt es sich, möglichst allgemein zu bleiben. Ein Motto könnte sein „Pelz“, „Fleischkonsum“ oder „Zirkus“. Mehr müssen die Behörden nicht wissen. Wieso also mehr angeben?
Weitere freiwillige Angaben.
Es kann ganz nützlich sein, der Behörde im Vorhinein weitere Angaben zu machen, damit diese z.B. euren Versammlungsort weiträumig genug absperren können, um Kooperationswillen zu signalisieren oder um die angemeldeten Dinge auf einem Versammlungsbescheid bestätigt zu bekommen und vor Ort besser mit den Polizeibeamt:innen diskutieren zu können. Falls ihr ein vorgefertigtes Anmeldeformular nutzt, kann es auch hilfreich sein, möglichst vage zu bleiben. Also beispielsweise bei der Frage nach Redner:innen nicht irgendwelche Namen angeben, sondern einfach „wechselnde Personen“.
Es kann auch sinnvoll sein, eine möglichst ausführliche Liste mit allen möglichen Kundgebungsmitteln mit anzugeben. Das macht es der Polizei später dann viel schwerer, euch bestimmte Gegenstände spontan zu verbieten, da die ja von vornherein mit angemeldet waren. Rein rechtlich ist egal, ob ihr diese Dinge mit angemeldet habt oder nicht. In der Diskussion mit den Polizeibeamt:innen vor Ort ist es aber oft einfacher, wenn bestimmte Gegenstände auf der Anmeldebestätigung vermerkt sind. Klassische Kundgebungsmittel sind zum Beispiel Flugblätter, Infotisch, Pavillon, Autos, Fahrräder, Fernseher, Straßenmalkreide, Transparente, Fahnen, Megafon, Musikanlage, Kostüme, Requisiten usw. Eben alles, was ihr irgendwie auf eurer Versammlung benötigen könntet.
Ihr könnt auch eine geschätzte Teilnehmer:innenanzahl mit angeben. Das kann ganz praktisch sein, um für die eigene Versammlung auch genug Fläche zur Verfügung gestellt zu bekommen. In manchen Städten haben sich zudem recht willkürliche Gewohnheiten eingeschlichen. Zum Beispiel, dass bei Kundgebungen unter 50 Teilnehmer:innen immer Megafone verboten werden. Um sich die Diskussion mit der Behörde zu sparen, kann es also hilfreich sein, bei der Anmeldung 50 Teilnehmer:innen anzugeben. Ob diese Zahl dann erreicht wird, ist egal.
Wichtig bei Marschdemos/Demoumzügen:
Handelt es sich bei eurer geplanten Aktion um eine Marschdemo, solltet ihr den genauen Zeitablauf und die Demoroute bei der Anmeldung angeben! Um bei der Demoroute keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, solltet ihr die Route nicht nur ganz genau schriftlich beschreiben, sondern auch auf einem ausgedruckten Stadtplan nachzeichnen. Außerdem solltet ihr die einzelnen „Punkte“ angeben, an welchen der Demozug hält, z. B. für Redebeiträge oder um vor bestimmten Geschäften noch einmal extra laut zu protestieren!
Musterbrief für die Anmeldung einer Kundgebung:
Kundgebungsanmeldung
Betreff: | Kundgebungsanmeldung |
Tag/Uhrzeit: | 15.11.2020; 10.00 Uhr – 18:00 Uhr |
Ort: | Fußgängerzone vor dem Rathaus (Geschwister-Scholl-Straße 126) auf dem Bürgersteig zwischen dem Neptunbrunnen und den Sitzgelegenheiten wie auf der beigefügten Karte zu entnehmen |
Thema: | Zirkus |
Veranstalter:in: | Initiative zur Abschaffung von Wildtiervorführungen |
Ansprechpartner:in: | Muster Kreaktivist, Kreastraße 1, Plz/Ort, 01234/567987 |
Versammlungsleiter:in: | Muster Kreaktivist, Kreastraße 1, Plz/Ort, 01234/567987 |
Stellvertreter:in: | Muster Kreaktivistin, Kreastraße 2, Plz/Ort, 01234/567978 |
Vrs. Anzahl der Teilnehmer:innen: | ca. 15 Personen |
Kundgebungsmittel | Flyer, Transparente, Megaphon, Unterschriftenlisten, Kreide, Kunstblut,Anschauungsmaterialien, Flaggen, Pelze, Käfig, Biertischgarnitur und Pavillon, TV, DVD-Player |
Wie kommt die Anmeldung zur Behörde?
Das Übermitteln der Anmeldung erledigt ihr am besten per Postweg oder Fax. Beides sind Kommunikationswege, die sich nachweisen lassen. Beim Postamt bekommt ihr auf Wunsch eine Bestätigung, dass ihr den Brief abgeschickt habt (kostet extra) und am Faxgerät lässt sich ein Sendebericht erstellen, welcher sogar noch den Inhalt des Faxes belegt. Es gibt recht günstige Online-Fax-Dienste, mit denen ihr für wenige Cent Fax samt Sendebericht bekommt. Es kann passieren, dass die Behörden eure Anmeldung verlegen und dann zu dem Entschluss kommen, ihr hättet eure Versammlung nicht angemeldet. Wenn ihr nachweisen könnt, dass ihr die Anmeldung versandt habt, ist das im Streitfall recht nützlich. So etwas kommt selten vor, aber es schadet nicht, dagegen gewappnet zu sein.
Ihr seid nicht verpflichtet, die Anmeldung schriftlich abzugeben. Theoretisch könnt ihr bei der zuständigen Behörde auch anrufen oder persönlich erscheinen. Rechtlich seid ihr aber besser abgesichert, wenn ihr es schriftlich – und am besten nachweisbar – einreicht, da so die Anmeldung weniger leicht geleugnet werden kann.
Die Anmeldung ist abgeschickt – was passiert jetzt?
Die zuständige Behörde wird die Anmeldung jetzt bearbeiten und euch dann eine Anmeldebestätigung zusenden. Darin enthalten sind zusätzlich meistens Auflagen, eine Begründung, warum diese Auflagen verhängt wurden, und eine Rechtsbelehrung. Am besten nehmt ihr alles, was ihr von den Behörden erhalten habt, auch zur Versammlung mit. So können euch die Beamt:innen vor Ort schlecht Sachen verbieten, die laut Auflagen erlaubt sind. Oder zumindest habt ihr im Konfrontationsfall eine bessere Argumentationsgrundlage.
Wichtig:
Versammlungen dürfen nicht „einfach so“ verboten werden. Es gibt Gründe, die Versammlung zu verschieben, nur an einem anderen Ort zu genehmigen oder bestimmte Auflagen festzulegen. Gründe können sein, dass bereits eine Versammlung stattfindet oder die Anmeldung zu kurzfristig (nicht 48 Stunden vor Beginn der Versammlung) eingegangen ist. Egal was ist, ihr müsst immer eine schriftliche Begründung erhalten, warum ihr euch nicht versammeln dürft oder warum ihr das nur unter bestimmten Auflagen dürft. Falls die Begründung nicht nachvollziehbar ist, schaltet eine rechtsverständige Person ein. Oftmals versuchen Versammlungsbehörden und die Polizei, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit stärker einzuschränken, als sie das tatsächlich dürfen.
Es ist auch sehr üblich, dass Versammlungsbehörden „Standardauflagen“ haben, die sie erst mal jeder Versammlung auferlegen wollen. Da jede Versammlung nur soweit eingeschränkt werden darf, wie unbedingt nötig, sind solche Standardauflagen rechtlich sehr fragwürdig. Ihr werdet aber trotzdem öfter damit konfrontiert sein. Seid also nicht verwundert, wenn euch in den Auflagen Dinge verboten werden, die ihr gar nicht angemeldet habt.
Grundsätzlich gilt:
Jede Versammlung ist erlaubt und bedarf zwar einer Anmeldung, aber keiner Genehmigung oder Erlaubnis von Seiten der Behörden. Die Anmeldung dient lediglich dem Zweck, dass sich die Behörden auf den Trubel vorbereiten können. Die Versammlung darf euch nicht verboten werden! Ihr habt ein Anrecht darauf, in Hör- und Sichtweite von Objekten zu demonstrieren.
Sondernutzungsgebühren und anderer illegaler Unfug
Manchmal wollen Versammlungsbehörden Sondernutzungsgebühren für Versammlungen erheben. Das passiert öfter bei ortsfesten Infotischen. Für kommerzielle Infotische in Fußgänger:innenzonen können Gebühren erhoben werden, nicht aber für politische Versammlungen. Also der Infotisch zu neuen Handyverträgen oder der Verkaufsstand mit Brezeln ist gebührenpflichtig. Der Infotisch zum Thema Pelz ist kostenlos. Wenn die Behörde wegen irgendetwas im Zusammenhang mit eurer Versammlung Gebühren erheben will, ist das immer eine unzulässige Einschränkung eurer Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Grundrechte dürfen nämlich nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden. Versammlungen abzuhalten ist immer kostenlos.
Was sind Auflagen?
Auflagen sind Einschränkungen, die Behörden erlassen können. Wenn sich an die Auflagen nicht gehalten wird, kann die Versammlung von der Polizei aufgelöst werden. Auch kann dies zu rechtlichen Konsequenzen führen. Die Versammlungsleitung hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Auflagen eingehalten werden. Dazu dürfen auch Ordner:innen eingesetzt werden. Es kommt auch vor, dass Order:innen von den Behörden angeordnet werden. Auflagen ergeben sich größtenteils aus dem Versammlungsgesetz und in den meisten Fällen wird sich auch ein Verweis auf das Versammlungsgesetz in den Auflagen finden. Typische Auflagen sind kein Alkohol auf der Versammlung, keine Stöcke über einer Dicke von X cm oder Beschränkung auf nur einen Fahrstreifen bei Marschdemos. Diese Auflagen können in Einzelfällen sehr einschränkend sein und natürlich auch als Mittel benutzt werden, um euch in eurer Meinungskundgabe zu behindern. Wenn es zu unverschämt wird, empfiehlt es sich, hier einen rechtsverständigen Menschen einzuschalten oder sich selbst ein bisschen mit den entsprechenden Rechtsgebieten zu befassen. Nicht alles, was Behörden erlassen, ist rechtens. Eigentlich sollten euch die Behörden nichts verbieten, was sie rechtlich nicht durchsetzen können, und in der Regel sind die zuständigen Sachbearbeiter:innen auch nicht darauf aus, euch eins rein zu würgen. Es sei denn, ihr wart in eurer bisherigen Arbeit sehr erfolgreich oder eure Versammlung ist aus anderen Gründen unbequem ;-)
Was sind Ordner:innen?
Ordner:innen sind Personen, die entweder freiwillig von der Versammlungsleitung bestimmt oder von den Behörden vorgeschrieben werden. Ein:e Ordner:in muss – im Gegensatz zur Versammlungsleitung – volljährig sein. Ordner:innen sind durch eine weiße Armbinde mit der Aufschrift „Ordner:in“ gekennzeichnet. Die persönlichen Daten eines/einer Ordner:in müsst ihr nirgends angeben. (einzige Ausnahmen: in Bayern und Niedersachsen müsst ihr unter bestimmten Voraussetzungen die Personalien der Ordner:innen gegenüber der Polizei angeben.) Euch kann lediglich die Anzahl der Ordner:innen vorgeschrieben werden. Wie ihr diese Posten besetzt, ist eure freie Entscheidung. Ein:e Ordner:in hat die Aufgabe, die Versammlungsleitung zu unterstützen und einen geordneten Ablauf der Versammlung zu gewährleisten. Vor größeren Versammlungen sollten sich die Versammlungsleitung und die Ordner:innen zusammensetzen, um gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, wie die Kundgebung ablaufen soll und wie das ermöglicht werden kann. Wenn jede:r:s ein ganz eigenes Konzept an den Tag legt, geht es meistens schief. Absprache ist wichtig.
Aber passt auch auf, dass ihr nicht selbst anfangt, Hilfspolizei zu spielen und euch im vorauseilendem Gehorsam die eigene Demo kaputt macht. Im Wesentlichen müssen Ordner:innen einfach irgendwie da sein. Eher passive Ordner:innen sind für eine Demo viel besser als überfleißige Hilfspolizist:innen aus den eigenen Reihen.
Eine Einladung zum Kooperationsgespräch: Was ist denn das?
Bei größeren Veranstaltungen, brenzligen Themen oder einfach erfolgreichen politischen Gruppen kann es passieren, dass ihr von den Behörden zu einem Kooperationsgespräch eingeladen werdet. Zu so einem Kooperationsgespräch könnt ihr hingehen, müsst es aber nicht. Bei einem Kooperationsgespräch sind ein:e Vertreter:in der Behörde, bei der ihr eure Versammlung angemeldet habt, und meistens auch die Polizei anwesend. Zu der Polizei ist zu sagen, dass es sich um die so genannte politische Abteilung handeln kann, das sind Beamt:innen, die „Szenekenntnisse“ haben sollen und dadurch irgendwelche Dinge angeblich besser einschätzen können.
Am besten besprecht ihr vor dem Gespräch in eurer Gruppe, was ihr erzählen wollt und inwieweit ihr auf gewisse Fragen eingeht bzw. was euer Ziel für das Kooperationsgespräch ist. Seid euch bereits vor dem Gespräch darüber im Klaren, welche Punkte eurer Versammlung ihr verhandeln wollt und über welche nicht.
Im Gespräch kann es sein, dass euch der/die/das Behördenmitarbeiter:in dazu bringen will, gewissen Auflagen zuzustimmen. Letztlich gilt: Egal ob ihr bestimmten Auflagen zustimmt oder nicht, die Behörde kann nach eigener Einschätzung Auflagen erlassen und an diese Auflagen müsst ihr euch dann erst mal halten. Wenn euch die Auflagen nicht passen, könnt ihr per Verwaltungsklage klagen und wenn ihr Glück habt, die Auflagen so auch wieder loswerden. Dabei könnt ihr euch aber nur auf Tatsachen stützen, die der Behörde zu dem Zeitpunkt, als sie die Auflagen erlassen hat, klar waren. Es ist also sinnvoll, Argumente, die gegen Auflagen sprechen, im Kooperationsgespräch anzubringen. Auflagen bereitwillig selbst zuzustimmen, ist rein rechtlich auf jeden Fall nicht zu empfehlen. Das macht die Argumentation gegen diese Auflagen im späteren Klageverfahren schwieriger. Unsere Empfehlung: Alles, was die Behördenvertreter:innen sagen, nur zur Kenntnis nehmen, Argumente gegen Auflagen anbringen und sich nicht darauf einlassen, irgendwelche Versammlungseinschränkungen zu akzeptieren. Das kann rein von den rhetorischen Anforderungen schon schwierig sein, ergibt aber rechtlich schlicht am meisten Sinn. Wenn ihr nach dem Kooperationsgespräch den Auflagenbescheid zugeschickt bekommt, könnt ihr euch immer noch in Ruhe überlegen, ob ihr dagegen klagt oder die Auflagen so akzeptiert. Das müsst ihr nicht in der wesentlich stressigeren Situation des Kooperationsgespräches entscheiden.
Und am Schluss noch das Allerwichtigste: Kooperationsgespräche stellen eher eine Ausnahme dar.
Tipps für die Versammlungsleiter:innen:
- Ihr seid für die Versammlung verantwortlich und ihr bekommt im Extremfall auch Ärger. Versammlungsleitung ist die bescheidenste Position, die du auf einer Versammlung haben kannst, da du für manche Handlungen der Versammlung verantwortlich gemacht werden kannst. Welche Dinge das genau sind, steht in den Straf- und Bußgeldvorschriften, die Teil des jeweiligen in deinem Bundesland gültigen Versammlungsgesetzes sind. Wägt immer selbst ab, ob es für euch in Ordnung ist, wie die Versammlung gerade läuft. Absprache kann hilfreich sein, aber ihr entscheidet.
- Falls die Versammlung komplett außer Kontrolle gerät oder es an einer bestimmten Stelle taktisch sinnvoll ist, als Versammlungsleitung nicht mehr für die Handlungen anderer verantwortlich gemacht werden zu können, könnt ihr die Versammlung jederzeit aufzulösen. Am besten macht ihr das per Megafondurchsage. Damit können euch die Behörden für alles, was ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Versammlung passiert, nicht verantwortlich machen. Die Teilnehmer:innen der Versammlung haben dann die Pflicht, sich zu entfernen, nachdem die Versammlung aufgelöst wurde. Die Versammlungsleitung sollte sich, nachdem sie die Versammlung aufgelöst hat, auf jeden Fall von dieser entfernen.
- Falls es sich um eine größere Demo handelt und Ordner:innen eingesetzt werden, überlegt euch gut, welchen Personen ihr diesen Posten zuteilt. Ordner:innen sollten zwar wissen, wann es gilt, die eigenen Leute auf Auflagen aufmerksam zu machen, aber nicht selber Polizei spielen und in vorauseilendem Gehorsam die eigene Demo zerstören. Je größer die Demo, desto wichtiger sind die Ordner:innen.
- Die Versammlungsleitung hat das Recht, einzelne Leute von der Demo auszuschließen. Das kann ganz hilfreich sein wenn z.B. Nazis sich in den Demozug gemogelt haben. Die ausgeschlossenen Leute sind dann verpflichtet, sich sofort zu entfernen.
- Bei großen Demos ist es hilfreich, immer ein Megafon in der Nähe zu haben. So könnt ihr euch Gehör verschaffen, wenn es nötig ist.
Ausnahmen Spontanversammlung & Eilversammlung:
Spontanversammlung
Spontandemos entstehen wortgemäß spontan und haben folglich auch keine Versammlungsleitung. Wichtig ist, dass mensch bei der Spontandemo nur Demomaterial dabei hat, welches wirklich spontan aufgetrieben wurde, sonst entsteht der Verdacht, dass die Demo lange geplant war. Oftmals fordert es sehr viel Durchsetzungsvermögen gegenüber der Polizei, bis eine Spontandemo als solche anerkannt wird. Auch wenn die Polizei das oftmals gerne anders hätte, gilt: Bei einer Spontanversammlung gibt es keine Anmelder:in, keine Versammlungsleitung und auch keine Ordner:innen. Es ist aber möglich, der Spontanversammlung Auflagen zu erteilen (z.B. der Versammlung eine bestimmten örtlichen Bereich zuzuweisen). Die Polizei ist öfter mal überfordert mit der rechtlichen Einordnung von Spontanversammlungen, hat in Teilen sogar noch nie von Spontanversammlungen gehört, und leistet sich des Öfteren Rechtsbrüche. Das muss nicht zwingend der Fall sein, kommt aber gerade hier öfter vor.
Beispiel für eine Spontanversammlung:
Ihr seid gerade mit eurer Politgruppe in der Innenstadt unterwegs und stoßt zufällig auf einen AfD-Infostand. Auch bei diesem – für euch sehr spontanen – Anlass habt ihr natürlich das Recht zu demonstrieren und eure Meinung bezüglich Nazis kundzutun. Anmelden müsst ihr dazu nichts, es kann jedoch sein, dass euch die Polizei Auflagen auferlegt und euch zum Beispiel auf die andere Straßenseite verweist. Das Recht, in Hör- und Sichtweite zu demonstrieren, gilt jedoch auch für Spontanversammlungen.
Eilversammlung
Eilversammlungen sind Versammlungen, die ihr nicht 48 Stunden vor Versammlungsbeginn anmelden konntet, weil ihr zum Beispiel von dem Anlass eurer Versammlung noch gar nichts wusstet. Bei einer Eilversammlung gibt es Veranstalter:in, Versammlungsleitung und gegebenenfalls auch Ordner:innen. Wenn ihr eine Eilversammlung anmeldet, schreibt der Polizei einfach ein Fax oder ruft bei denen an (nicht die 110, sondern die Nummer der lokalen Polizeiwache). Auch für Eilversammlungen gilt, dass ihr sie nur anmelden und nicht genehmigen lassen müsst. Bescheid sagen reicht – wenn die Polizei beschließt, das zu ignorieren, ist das deren Problem.
Beispiel für eine Eilversammlung
Eine Politgruppe erfährt davon, dass eine faschistische Kameradschaft gerade ein Vereinstreffen im örtlichen Wirtshaus abhält. Sie möchte lautstark gegen Rechtsextremismus demonstrieren und zeigen, dass solches Gedankengut hier nicht erwünscht ist. Sie verabredet sich per SMS in 30 Minuten vor dem Gasthaus, um zu demonstrieren. Eine Person von euch ruft noch schnell bei der Polizei an und meldet die Eilversammlung an. Bei Eilversammlungen regelt die Polizei oft in direktem Gespräch vor Ort mit euch Dinge wie den Versammlungsverlauf und eventuelle Auflagen.
Ich würde mich gerne weiter mit Versammlungsrecht befassen, wo finde ich Infos?
Das meiste, was mit Versammlungen zu tun hat, ist im Versammlungsgesetz geregelt. Es empfiehlt sich, einfach direkt die jeweiligen Gesetze zu lesen. Die Versammlungsgesetze sind für Gesetze auch recht übersichtlich und kurz. Es gibt ein Bundesversammlungsgesetz (VersammlG), das überall dort gilt, wo die Bundesländer keine eigenen Versammlungsgesetze erlassen haben. In manchen Bundesländern gibt es eigene Versammlungsgesetze, die anstelle des Bundesversammlungsgesetzes gelten. Diese Länder sind derzeit (Stand 2021) Bayern (mit dem BayVersG), Sachsen (mit dem SächsVersG), Niedersachsen (mit dem NVersG), Sachsen-Anhalt (mit dem VersammlG LSA), Schleswig-Holstein (mit dem VersFG SH), Berlin (mit dem VersFG BE). Nordrhein Westfalen bastelt derzeit noch an einem eigenen Versammlungsgesetz.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht zum Thema Versammlungsfreiheit, auf die mensch sich zur Durchsetzung der Versammlungsfreiheit berufen kann. Das sprengt allerdings den Rahmen dieser Anleitung.