Worum geht’s?
Verdeckte Recherchen klingt spannend, illegal und gefährlich. Zum Glück ist es nur spannend und weder illegal noch gefährlich. Aber worum geht’s überhaupt wenn wir von verdeckten Recherchen reden? Gemeint sind alle Recherchen bei denen du nicht als politisch aktiver Mensch auftrittst, sondern verdeckt in einer anderen Rolle (Kund*In etc.) ermittelst.
Wann sollte ich verdeckt ermitteln?
Bei manchen Geschäften und Unternehmen empfiehlt es sich nicht gerade mit Tierrechtspulli aufzukreuzen, um z.B. den Angestellten einer Zoohandlung dann mitzuteilen: „Hallo, Ich bin von „Tierrechte in XY“ und wollt mal nachschauen, wie denn Ihre Tiere so gefangen gehalten werden“. Wenn es Missstände gibt, die kritisiert werden können, werden diese Geschäfte euch diese natürlich nicht präsentieren. Teilweise könnte es auch passieren, dass mensch einfach Hausverbot bekommt, wenn er/sie sich als Recherchierender zu erkennen gibt. Gibst du dich bei einer Tierhaltungsrecherche in einer Zoohandlung aber als KundIn aus, der /die sich unbedingt eine süße Schildkröte kaufen will, kommst du mit dem Personal leicht ins Gespräch und kannst ihnen allerlei Infos entlocken.
Verdeckt ermitteln solltest du immer da, wo mensch Aktivist*innen eher negativ gegenüber steht und die Recherche dadurch natürlich auch nichts Erfreuliches darstellt.
Ist verdeckt ermitteln strafbar?
Es kommt natürlich darauf an, was du im Einzelfall machst, aber grundsätzlich ist verdeckt ermitteln nicht strafbar. Einbruch, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung usw. können schon strafrechtlich verfolgt werden. Aber alles was du tust, ist Sachen anschauen, dich
nett mit Leuten unterhalten und vielleicht ein paar Fotos oder Videos machen. Nichts davon ist strafbar. Worauf du aber achten musst ist, dass du die Einwilligung einer Person haben musst, um Video und Bilder auf denen das Gesicht der Person erkennbar ist, zu veröffentlichen. Mit einem Unkenntlichmachen des Gesichtes stellt aber auch das kein Problem dar. Wenn du die Aufnahmen für Behörden (Polizei, Amtsveterinär…) verwenden willst, musst du natürlich nichts verpixeln. Es geht hier nur um menschliche Individuen,
nichtmenschliche Individuen werden vom Gesetz als Sache betrachtet und dürfen so oft und lange fotografiert werden, wie mensch will. So lange es sich bei dem von dir betretenen Gelände um öffentlich zugängliche Fläche handelt, also zum Beispiel den Kundenbereich eines Geschäftes, ist das auch nichts Illegales(es sei den dies ist durch Hausordnung oder Verbotsschilder untersagt). Tut ja schließlich auch jedeR. Wenn du aber des Ladens, des Geländes oder des was-auch-immer verwiesen wirst, solltest du dem nachkommen, da es sich sonst um eine strafbare Handlung handeln kann. Und selbstverständlich solltest du nicht beleidigen oder ähnliches machen. Wenn dich jemensch blöd anmacht, lieber einen Rückzug antreten. Zum einen sind nicht dokumentierte Konfrontationen wenig produktiv und zum anderen ist mensch im Fall der Fälle als politisch aktiver Mensch eh der / die Schuldige.
Was kann recherchiert werden?
Grundsätzlich kann absolut alles recherchiert werden (z.B. Tierhaltung in der Zoohandlung; Pelzsortiment eines Geschäftes; Herkunft der Supermarkteier; die Schlachtungsmethoden des Metzgers Y). Du solltest dir aber überlegen, was du mit deiner Recherche bewirken willst. In
der Regel geht es darum, einen Missstand aufzuzeigen, um dann gegen diesen vorgehen zu können. Es macht also durchaus Sinn dort Recherchen durchzuführen wo besonders schwerwiegende Missstände vorherrschen. Je nachdem um welche Art von Missstand es sich handelt, variiert auch der Stil der Recherche. Missstände lassen sich in 2 Gruppen ordnen.
Legale Missstände
Ein Großteil der Missstände in der Tierausbeutungsindustrie ist leider legal. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass Recherchen hier zwecklos wären. Bei der Dokumentation von legalen Missständen solltest du möglichst gut aufzeigen können warum die Bedingungen grausam und falsch sind. Es genügt also nicht aufzuzeigen, dass Zirkus Crudelitas Elefanten und Tiger mit sich führt. Es ist ja leider noch das selbstverständlichste der Welt, dass Zirkusse Wildtiere mit sich führen. Es muss also nicht dokumentiert werden, dass da Elefanten sind, sondern dass es den Elefanten schlecht geht. Also filmt oder fotografiert die kleinen Käfige, die unbehandelten Wunden, die rumstehenden Elefantenhaken, die webendenden Elefanten oder die Dresseure wie sie die Elefanten misshandeln. Wenn genug Recherchen veröffentlicht wurden, handelt es sich bei dem von dir dokumentierten auch bald um illegale Missstände.
Illegale Missstände
Im Gegensatz zu legalen Missständen sind sie bereits per Gesetz verboten und es ist in der Regel allgemein anerkannt, dass es sich dabei um etwas Schlechtes handelt. Du musst also nicht mehr all zu ausführlich dokumentieren, warum die vorherrschenden Bedingungen grausam etc. sind. Theoretisch reicht es aufzuzeigen, wo genau Gesetzesverstöße stattfinden. Es kann aber zudem nie schaden, auch noch einmal zu belegen warum die Umstände schlecht sind. Wenn du illegale Missstände aufzeigen kannst, solltest du dein Rechercheprotokoll auf jeden Fall an Behörden und andere Institutionen weiterreichen, damit diese dagegen vorgehen können.
Wie bereite ich mich auf die Recherche vor?
Zuerst natürlich, den Rechercheort oder die Rechercheorte und die Recherchezeit festlegen (achtet auf Öffnungszeit oder Ähnliches). Wichtig ist auch, sich vorher ein wenig zu informieren: Wie ist die gesetzliche Lage, wie die Verordnungen, also auf was gilt es besonders zu achten? Beispiel Tierhaltung: Gibt es Gehegemindestgrößen? Gibt es spezielle Haltungskriterien? Wenn ja, wisst ihr gleich auf was es zu achten gilt! Im Fall Zirkus gibt es beispielsweise „Zirkuschecklisten“ in denen steht, was es bei einer Tierhaltungsrecherche im Zirkus zu beachten gilt. Dann kann mensch gezielter recherchieren. Auch solltest du dir eine Liste schreiben, welche Infos du recherchieren willst und dir gleich überlegen, wie du möglichst unauffällig an die Infos kommen kannst. So eine Fragenliste kann beispielsweise so aussehen:
Fragenliste Recherche zur Tierhaltung im Zoofachgeschäft Cavea (Beispiel):
Wie viele nichtmenschlichen Individuen werden gefangen gehalten? Hier einfach nach Arten gegliedert zählen. |
Wie sind die Individuen untergebracht? Zählen der Käfige. Notieren der Tiere (Anzahl und Art) die in einem Käfig eingesperrt sind. Schätzen der Käfiggröße (vll. Fotos hilfreich). |
Wie sind die Käfige ausgestattet? Checken ob und in welchen Massen Einstreu, Spielzeug, Rückzugsmöglichkeiten und Futter bzw. Wasser da ist. Auch den Zustand dokumentieren, z. B. ob das Wasser / Futter verdreckt oder ähnliches ist. Hier Bilder machen. |
Wie läuft der Verkauf? Gespräch mit Personal: „Mir gefällt die Schildkröte da sooo. Aber ich hab erst in zwei Wochen Geburtstag. Meinen Sie, die kauft mir wer weg?“ Falls nötig nachhacken „Aber kaufen nicht voll viel Leute Schildkröten?“ |
Woher werden die Tiere bezogen? Gespräch mit Personal: „Kriegen die auch Junge bei euch?“ Falls nötig weitermachen: „Aber wo kommen dann die neuen Schildkröten her?“ Falls nötig weitermachen: „Es gibt Leute die davon Leben Schildkröten zu züchten? Machen die denn das hier in Deutschland? |
Wie werden die Tier gepflegt? Gespräch mit Personal: „Auf was muss ich denn bei Schildkröten achten?“ Weitermachen: „Und sie machen, dass wirklich jeden Tag? Ist ja voll viel Aufwand.“ Weitermachen: „Aber scheißen die nicht den ganzen Glaskasten zu? Des muss man ja auch mal alles raus machen?“ Weitermachen: „Werden so Schildkröten eigentlich oft krank? Ich hab nämlich nicht viel Geld für den Tierarzt.“ Falls nötig weitermachen: „Und auch wenn die nur einen Schnupfen haben, holt ihr gleich den Tierarzt?“ Checken ob Überwachungsgeräte für Wasser- oder Lufttemperatur da sind. |
Dein Auftreten bei der Recherche:
Achte auf dein Aussehen
Nimm die Vegan- und Anti-Kapitalismus-Buttons von der Tasche. Tierrechtspullis und allgemein alternative Kleidung sollten zuhause bleiben. Achte darauf so auszusehen, wie du dich auch deiner Oma zeigen würdest. Oder zumindest irgendwie dem Anlass angepasst- verkleide dich nicht übertrieben aber mach dich unauffällig.
Achte auf dein Verhalten
Sei freundlich, aufgeschlossen und interessiert. Gib dich naiv! Naiven Menschen traut mensch nichts schlechtes zu. Außerdem signalisiert es deinem / deiner Gegenüber, dass du überhaupt keine Ahnung vom Thema hast. Da plaudert mensch natürlich schon mal über den einen oder anderen Missstand.
Achte auf deine Äußerungen
Wenn du Fragen stellst, frag immer so, wie ein potentieller Kunde es tun würde, nicht wie ein kritischer Aktivist! Passe deine Sprache an, vermeide verräterische Ausdrücke- Begriffe wie „Antispeziesismus“, „Profitgier“ usw. verraten dich schnell als politisch aktiven Menschen. Achte darauf, deinen Sprachstil möglichst deiner erfundenen Rolle anzupassen. Gibst du dich als 15-jährigen Hamsterfan aus, darfst du unprofessionell und unwissend wirken. Bist du ein 45 jähriger Hamsterhobbyzüchter, wäre Naivität fehl am Platz. Alle Wörter die darauf schließen lassen, dass du der Materie gegenüber kritisch bist, kannst du für den Zeitpunkt aus deinem Wortschatz streichen.. Ganz wichtig ist, dass du den Angestellten, Betreiber*innen etc. nie einen Vorwurf machst. Anstelle von „Durch ihre tierquäleriesche Haltung ist schon wieder ein Tier verletzt worden- Sie sollten dem Tierschutzgesetz entsprechend den Tierarzt rufen, sonst riskieren sie eine Anzeige“ tut’s ein „Oh, da liegt ein verletztes Tier – sollten wir den Tierarzt holen?“ genau so. Im Optimalfall denkt sich der oder die Tierausbeuterin du bist nicht sehr naiv und beantwortet breitwillig deine Fragen. Du freust dich deinerseits natürlich über die ganzen Infos die du so bekommst.
Achte auf deine Handlungen
Für ein beweislastiges Protokoll sind Videos oder Fotos absolut wichtig. Handys mit Video- und Fotooption sind eine tolle Möglichkeit Fotos zu schießen. Aber denkt daran, nichts ist auffälliger als möglichst schnell das Handy aus der Tasche zu ziehen und sich nach dem Knipsen umzusehen ob mensch unbeobachtet ist. Wenn du einfach nebenbei fotografierst ist das viel unauffälliger. Alles was du machst, muss so aussehen, als wäre es das absolut Selbstverständlichste.
Achte auf deine Ausrede/deine Rolle
Denk dir eine Rolle aus!
Möglicherweise werden Verkäufer*innen dich fragen warum du dich so sehr interessierst oder warum du Fotos machst. Gute Ausreden sind immer ein „Schulprojekt“ oder eben, dass du KundIn bist. Du möchtest z. B. unbedingt einen Hamster haben, aber deine Eltern sind nicht überzeugt. Jetzt möchtest du dich informieren und süße Fotos von den Hamstern machen, um deine Eltern zu überzeugen- „dann können meine Eltern einfach nicht nein sagen.“ Spiel den begeisterten Kindergärtner der einen Zirkusbesuch mit der Kindergruppe vorbereitet, lass den Fan raushängen, gewinne Vertrauen, vermeide Misstrauen. Oder sei einfach ein Mädchen das mit einer Freundin und dem Foto Handy rumalbert und freudig alles fotografiert. Rollen gibt es viele, hier kann mensch sich immer was passendes zurechtlegen, was zu einem selbst passt. Wichtig ist nur, dass ihr euch in der Rolle einigermaßen sicher fühlt und sie überzeugend spielen könnt.
Wenn du 2 Meter groß und breitschultrig bist passt die Rolle des rumalbernden kleinen Mädchens eher weniger zu dir. ;-)
Wie dokumentiere ich die Rechereche?
Ganz wichtig ist es, die Recherche zu dokumentieren. Das geschieht natürlich über Bilder oder Videos aber auch Tonbandaufnahmen können sehr hilfreich sein. Viele MP3-Player, Handys etc. haben mittlerweile eine Aufnahmefunktion. Einfach auf Aufnehmen schalten, in eine Außentaschen der Jacke stecken und auf in die Recherche. Bei Tonbandaufnahmen empfiehlt es sich zuvor einmal auszuprobieren, wie die Aufnahmequalität in verschiedenen Taschen so ist. Generell kann mensch sagen wie weiter außen die Taschen liegen und je näher das Gerät am Mund ist, desto besser ist die Aufnahmequalität. Zum einen können Tonbandaufnahmen wirklich auch als Beweismittel eingesetzt werden und zum anderen können sie euch dabei helfen, dass Rechercheprotokoll zu schreiben. Es ist sinnvoll, das Datum deiner Recherche zu dokumentieren. So kann später nicht angezweifelt werden, dass die Recherche wirklich an dem Tag durchgeführt worden ist. Wenn du das Gespräch aufzeichnest, frag deineN GesprächspartnerIn welches Datum heute ist. Wenn du mit Foto oder Videokamera dokumentierst,
einfach die aktuelle Tageszeitung abknipsen oder am Anfang der Recherche kurz ins Bild halten. Das sind beides Methoden mit denen du relativ sicher nachweisen kannst, dass deine Recherchedokumente am besagten Tag entstanden sind. Um auch den Ort nachweisen zu können, empfiehlt es sich auch Fotos und Videos nicht nur vom Missstand selbst zu machen sondern auch die Umgebung abzufotografieren, zumindest in soweit, dass absolut ersichtlich wird, dass es sich wirklich um Zoohandlung Cavea handelt.
Bei Tonbandaufnahmen ist ein Ortsnachweis leider etwas schwierig zu bewerkstelligen.
Rechercheberichte:
Wie oben schon erwähnt, gibt es von einer Recherche auch immer ein Protokoll. Zum einem könnt ihr dann in einem Jahr wieder nachlesen, was ihr damals so recherchiert habt und zum anderen kannst du diese Rechercheprotokolle auch an andere Aktivisten, Vereine oder Medien weiterreichen. Infos zur Erstellung von Rechercheberichten findet ihr hier.
Die eigene Sicherheit:
Natürlich sind viele nicht gerade glücklich, wenn du aufdeckst, für welche Missstände sie verantwortlich sind. Es kann daher immer zu etwas unfreundlichen Aufeinandertreffen kommen. Du solltest dir vorher auf jeden Fall überlegen, was du in diesem Fall unternimmst und dir auch klar darüber werden, wie wahrscheinlich es ist, dass gefährliche Situationen entstehen könnten. In den meisten Fällen werden Passant*innen vor Ort sein, was einen recht guten Schutz vor körperlicher Gewalt darstellt. Wir möchten euch aber nahe legen, immer möglichst schnell das Weite zu suchen, wenn ihr alleine seid und sich Ärger anbahnt. Das ist nicht nur sicherer für euch, sondern sorgt auch dafür, dass ihr die Rechercheergebnisse verwerten könnt. Wenn es schlimmstenfalls zu einem Handgemenge kommt, kann das ein sehr schlechtes Licht auf euch werfen. Bei dem bedeutenden Teil der Recherchen werdet ihr nicht mit Ärger konfrontiert werden und wenn ihr eure Rolle überzeugend spielt und die Ausrede sitzt kann eh nichts passieren. Also geht raus und dokumentiert was euch nicht gefällt.