Worum geht´s
Ob in Pressemitteilungen, in Interviews, im Leserbrief… in der Kommunikation und Arbeit mit der Presse braucht mensch zwar vor allem etwas Erfahrung, Kreativität und Gelassenheit, aber für den Anfang hilft etwas journalistisches Grundwissen und handwerkliches Können.
Wichtige Grundregeln für die Pressearbeit:
1. JournalistInnen kochen auch nur mit Wasser
Oft oder sogar meistens haben sie von eurem Thema kaum Ahnung. Wenn überhaupt wissen sie das was die meisten Menschen über das Thema zu wissen meinen: Wenig, gespickt mit Vorurteilen. Aber sie wollen eine Story also sind sie auf euch ebenso angewiesen wie ihr auf sie!
2. Fachneuling – also für Idioten erklären
Journalist*innen und Leser*innen sind meist ja absolute Laien auf „eurem“ Themengebiet. Versucht also alles so zu erklären, dass es ein absoluter Themenneuling auch versteht. Schmeißt nicht mit komplizierten Fachwörtern um euch oder komplexen Zusammenhängen, die mensch nur als Szeneninterne/r versteht.
3. Achtung: Carla Kolumna auf der Suche nach dem Skandal!
Der/Die Journalist*in an sich sucht natürlich nach dem Skandal. Die Story soll ja auch gelesen werden. Bietet ihr nicht infotechnisch den Skandal auf der Gegenseite kann sich das Blatt auch gegen euch wenden. Eine mit Rechtschreibfehlern gespickte Pressemitteilung, peinliche Wutausbrüche oder undurchdachte bzw. radikale Äußerungen können sich gegen euch wenden und statt der Schlagzeile „Skandal-Zirkus besucht unsere Stadt“ heißt es dann „Selbsternannte Tierschützer belästigen Zirkus mit wirren Argumenten“
4. Zeit ist Geld!
Journalist*innen bekommen am Tag hunderte Pressemitteilungen – regional, überregional, global… oft bleiben nur wenige Sekunden die entscheiden, ob eure PM überhaupt gelesen wird. Es entscheiden also der Betreff und die ersten 4 Zeilen – diese sollten alle wesentlichen Infos enthalten. Eine schlecht geschriebene oder unendlich lange, langweilige PM landet gleich im Mülleimer.
5. Durchdachte Antworten!
Im Interview solltet ihr niemals fahrlässig oder undurchdacht antworten, vor allem nicht auf provokante oder kritische Fragen!
Gerade fragen zu „Wie steht ihr zu Sachbeschädigung durch Tierbefreier*innen“ oder „Wer ist schuld an z. B. der Tierquälerei für Pelz“ usw. sind typische Fragen, die undurchdacht beantwortet sehr gegen euch verwendet werden können. Überlegt euch deshalb genau vorher in der Gruppe wie ihr zu solchen Themen steht! Eine öffentlich zur Schau getragene „Pro Gewalt-Haltung“ kommt meist sehr schlecht an, auch wenn es „nur“ um Gewalt gegen Sachen geht (z.B. Wenn im Zuge einer Tierbefreiung Käfig zerstört werden). Viele Menschen sehen das als radikal und beängstigend, daher gilt es gerade bei solch sensiblen Themen eure Antwort Laienverständlich und gut zu formulieren. Wenn ihr antwortet überlegt immer genau wie diese Antwort bei dem/der LeserIn/HörerIn ankommen wird!
6. PR-Verantwortliche/n bestimmen!
Oft gibt es in einer Gruppe Menschen die besonders Angst haben vor Pressearbeit und Leute die weniger Probleme damit haben in der Öffentlichkeit zu stehen oder vor Menschenmengen zu sprechen. Es macht deshalb Sinn einen Gruppenpressesprecher zu wählen, der sich um die Kooperation mit den Medien kümmert und sich und die anderen ständig im Umgang mit den Medien schult!
7. Vorbereitet sein!
Versucht so gut wie möglich, nie unvorbereitet, mit den Medien zu sprechen d. h. ihr solltet eure Fakten kennen, euch schon gewisse Antworten überlegt haben, und Interviews geübt haben. Überrascht doch einmal eine Journalist*in z. b. am Telefon, bittet um einen Rückruf in einigen Minuten oder fragt, ob das Interview auch via E-Mail möglich wäre.
8. Nicht provozieren lassen!
Nicht alle Journalist*innen müssen eurem Thema positiv gegenüber stehen – deshalb lasst euch nie provozieren oder in eine Ecke drängen!
9. Weiterverweisen!
In einem Interview oder Statement wird mensch niemals alles unterbringen können, was es zu dem Thema zu sagen gibt! Verweist deshalb weiter! Weist auf Internetseiten hin, auf die Internetrecherche an sich oder Vereine und Kampagnen, der ein oder andere Mensch wird sich ggf. selbstständig weiter informieren!
10. Oberste Maxime: Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Gelassenheit!
Die Medienwelt ist eine hektisch, vergängliche und wie mensch sich vorstellen kann, gibt es immer weniger Journalist*innen als Menschen, die Themen in der Zeitung untergebracht sehen wollen. Eine gute Medienkooperation ist daher sehr wichtig, mensch sollte es sich nicht verscherzen! Agiert daher immer zuverlässig, freundlich und gelassen!
Tipps zur Pressearbeit
Wer viele Medien liest oder verfolgt wird schnell feststellen, dass verschiedene Schemata immer wieder verwendet werden und komischerweise immer wieder ankommen – Politiker lassen sich mit kleinen Kindern abbilden, Castingstars erzählen pausenlos von schweren Schicksalsschlägen und Zeitungen, die mit besonders vielen bunten Bildern werben, kommen besser an als die mit dem vielen Text.
Einfache Stilmittel, die auch ihr für euch verwenden und einstreuen könnt, egal um welche Art der Pressearbeit es sich handelt.
1. Personalisieren und Personifizieren- „das Schweinchen Babe“
Journalist*innen und Rezipient*innen (= Leser-, Hörer-, Zuschauer*innen) lieben Geschichten, in denen Menschen „wie du und ich“ auftreten – oder nicht-menschliche Tiere individualisiert werden. Wo immer dies möglich ist, sollten die Akteure im Vordergrund stehen und um sie herum die Pressestory aufgebaut werden. So ist es im Dialog immer taktisch clever Gegenargument mit „So hab ich auch mal gedacht, aber dann habe ich erfahren/kam der Punkt…“ zu beginnen. Auf der anderen Seite hilft die Personalisierung die Sympathien für sich zu gewinnen – so kann mensch die Dramatik des Fleischkonsums anhand „des kleinen Schweinchen Babe, das gegessen werden sollte, aber vorm Schlachter gerettet wurde“ leichter an den Menschen bringen als wenn man von „10 Millionen Mastsauen“ spricht. Auch Argumentation wie „sie würden doch auch nicht ihren Hund tragen“ machen aus dem anonymen „Pelztier“ oder gehäuteten Hund in Asien plötzlich ein interessantes Gesicht und eine spannende Story, die auch zum Nachdenken bewegen kann.
Also: Immer ein fiktives oder reelles Individuum als Beispiel heranziehen und die Geschichte darum aufbauen!
2. Visualisieren – „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“
Nirgends lassen sich Informationen so komprimiert, anschaulich und eindrücklich übermitteln, wie in einem Bild. Außerdem sprechen Bilder direkt und zu einem großen Teil unbewusst die Gefühle des Betrachters an. Der Einsatz visueller Hilfsmittel, das sind neben Pressefotos auch Grafiken und ggf. Karikaturen, ist deshalb eine wichtige Technik in der Pressearbeit. Ein gutes Bild ist ein Blickfang und gibt den JournalistInnen auch Anlass es zu verwenden und damit über euch zu berichten.
Wichtig ist bei den Bildern natürlich, dass ihr damit keine Urheberrechte verletzt, sie qualitativ gut, d.h. hochauflösend sind und vor allem, dass die Bilder mit der Gruppe abgesprochen sind, denn niemand möchte sein Gesicht ungefragt in der Zeitung sehen!
Wenn es um Fotos von euren eigenen Aktionen geht, dürfte es bezüglich der Eigentumsrechte an den Bildern keine Probleme geben. Möchtet ihr allerdings z. b. ein Bild von Nerzen aus der Pelzfarm verwenden, fragt bei großen Vereinen (z. B. Peta, Vier Pfoten, VGT…) an, ob mensch euch solche Bilder hochauflösend zur Verfügung stellen kann. Viele Vereine machen das sehr sehr gerne!
3. Lokalisieren – „was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“
Ob eine Meldung von dem/der Journalist*in veröffentlicht wird, hängt vor allem in Medien mit regionalem Verbreitungsgebiet maßgeblich vom lokalen Bezug der Meldung ab. Ist dieser Bezug sowieso vorhanden, weil z. B. die Aktion im Verbreitungsgebiet liegt, sollte das herausgestrichen und ganz zu Beginn erwähnt werden. Ist an sich kein regionaler Bezug vorhanden, muss mensch versuchen diesen irgendwie herzustellen. Lokalisierung ist aufwändig aber oft wirkungsvoll.
Geht es um Aktionsberichte aus eurer Stadt usw. ist der Lokalbezug meist automatisch gegeben, möchtet ihr aber auf eine sehr spektakuläre Demo oder Aktion weiter weg aufmerksam machen, könntet ihr die Geschichte daran aufhängen, dass die regionale Tierrechtsgruppe eure Stadt dort vertreten war oder möchtet ihr allgemein etwas gegen Pelz veröffentlichen? Hängt das am neueröffneten Pelzgeschäft in der Stadt auf… So ziemlich alles kann an örtliche Bräuche, Traditionen, Persönlichkeiten, Geschäfte, Lokalitäten usw. angepasst bzw. darauf bezogen werden.
4. Problematisieren – das Aschenputtelsyndrom
Ein Sachverhalt wird spannender und die Meldung damit berichtenswerter, wenn die den Redaktionen nicht nur schöngefärbte durchgestylte Erfolgsstorys angeboten werden, sondern auch die Widerstände, die auf dem Weg zum Erfolg zu überwinden waren oder Probleme, die nach wie vor bestehen, thematisiert werden. Der Mut dazu wird in aller Regel belohnt. Allerdings ist bei der Formulierung zu beachten, dass Journalisten dazu neigen, das ganze dann noch etwas zu überhöhen. Dies nennt mensch wohl den Aschenputteleffekt – mensch kennt es von Castingshows in denen jeder Kandidat einen verunglückten Verwandten, einen schrecklichen Schicksalsschlag oder eine Nur-knapp-dem-Tod-entronnen-Story parat hat. Nutzt das für euch aus! Macht darauf aufmerksam welche Steine euch in den Weg gelegt werden usw. Wird in dem Berichte das Schicksal eines nicht-menschlichen-Tieres betont, erzählt, wie es nur knapp vor dem Schlachter/Kürschner/… gerettet werden konnte usw. Passt aber auf, dass eure Geschichte nicht „jammerig“ wirkt, denn das kann gegen euch verwendet werden. Tretet stark und selbstsicher auf, aber nicht arrogant, zeigt ruhig mit welchen Problemen ihr zu kämpfen habt, ohne allerdings internes preis zu geben!
5. Konkretisieren – klare Worte statt Fachchinesisch
Fachchinesisch hat in Pressemeldungen ebenso wenig etwas zu suchen wie langatmige Beschreibungen. Im Mittelpunkt steht ein konkreter Sachverhalt (meist der „Aufhänger“). Themen und Botschaften sind dabei auf ein Minimum an Aussage zu reduzieren und in einfache verständliche Worte zu kleiden, damit sie verstanden und aufgenommen werden.
Ihr müsst bedenken, dass weder Journalist*in noch Leser*innen sich jemals intensiver mit dem theoretischen oder philosophischen Hintergrund eurer Themen befasst haben. Überlegt euch also genau ob ihr gegenüber dem Gemeindeblättchen von „antispeziesistischer Bewegung“, „herrschaftskritische Systemkritik“, „Anarchie“ und „Kapitalismuskritik“ reden wollt, oder ob die selbe Message auch in einfachen, für die Menschen leicht nachvollziehbaren, Worten gibt, die den Leser*innen nicht gleich Angst einjagen („Hilfe, Anarchie…“)
Warum sich verstecken, wenn wir doch genau das meinen? Wird sich der der/die ein oder andere fragen… Überlegt euch dazu einfach welche Botschaft ihr vermitteln wollt und vor allem was ihr erreichen wollt. Möchtet ihr einen Aufsatz über die Theorie der Tierrechte machen – hier ist Fachsprache gern gesehen. Möchtet ihr Menschen auf Tierquälerei im Zirkus aufmerksam machen und zum Boykott aufrufen, müsst ihr zuerst zwei Ziele ins Auge fassen:
a. Der Artikel soll gedruckt werden! Das wird aber nur passieren, wenn der/die Journalistin das Thema und dessen Präsentation ansprechend findet und auch glaubt, dass die Leser*innen das Thema so interessant finden werden…
b. Die Kernaussage „Geht nicht in den Zirkus, denn so finanziert ihr Tierquälerei“ soll ganz einfach und klar vermittelt werden.
Deshalb solltet ihr euch in diesem Fall auch daran halten, alle ganz einfach und vor allem ganz klar und knapp zu formulieren
6. Exemplarisieren – „Wie Sardinen in der Dose“
Mit praktischen Beispielen lassen sich nicht auf den ersten Blick sichtbare Zusammenhänge, komplexe Themen oder auch Bedeutung und Nutzen anschaulich erklären. Besonders einprägsam sind Beispiele, wenn sie eine Beziehung zum Lebensumfeld der angesprochenen Personen haben oder zum Allgemeingut gehören.
Was heißt das nun konkret? Ihr müsst einfach immer ein paar anschauliche Beispiele für eure Fakten auf Lager haben, z. B. statt „Jährlich werden X-Millionen Kühe in Deutschland geschlachtet/Küken vergast“ könnt ihr sagen „Jede Stunde…/während wir hier reden werden…“ oder wenn es um Ressourcenverschwendung geht, sagt nicht „Die Fleischindustrie verschwendet xy Millionen Liter Wasser“, sondern „Um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, braucht man so viel Wasser, wie für XY Kilo Kartoffeln“ Tierhaltung könnt ihr natürlich auch mit Vergleichen erklären, wie etwa „in der Natur wandert der Elefant xy Kilometer am Tag. Im Zoo hat er gerade mal 100 Meter. Ist das artgerecht? Oder für Legebatteriehennen „Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr ganzes Leben mit 3 weiteren Personen auf der Grundfläche einer Telefonzelle verbringen“, oder, oder, oder ;)
Vergleiche machen Menschen die Situation so klar, dass sie es sich bildlich oder sogar „am eigenen Leibe“ etwas vorstellen können – das vermittelt die Botschaft etwas eindrücklicher
7. Aktualisieren – „sich an den Skandal anhängen (die Gammelfleischtaktik)“
Die Aktualität der Meldung ist für Journalisten eines der wichtigsten Auswahlkriterien für die Veröffentlichung. Ein aktueller Bezug lässt sich nicht nur zeitlich, sondern auch dadurch herstellen, dass sich die Pressemeldung an ein „heißes Thema“ (Unfallserie, Wirtschaftsskandal, Wetterkapriolen usw.) „anhängt“. So verwundert es nicht, dass während diverser Gammelfleisch- und BSE-Skandale die Berichterstattung über Vegetarismus geradezu explodiert ist. Nutzt solche Berichterstattungstrends für euch, hängt euch an oder versucht eure Presseinfos irgendwie an aktuelle Berichterstattung dranzubasteln.
(Quellenhinweis: Die Original-Pressearbeitstipps auf Unternehmens-PR bezogen findet ihr auf http://www.pr-kurier.de/modules.php?name=News&file=article&sid=12)
Viel Erfolg bei der Pressearbeit wünschen euch die Kreaktivisten!