Schutz von Gruppenstrukturen

Gruppenstrukturen, die ein zuverlässiges, zielgerichtetes und erfolgreiches Arbeiten unterstützen, sind Gold wert! Sie ersetzen ganze Hundertschaften von Mitgliedern, garantieren Spaß an der Arbeit und sind das Fundament einer jeden Aktionsgruppe. Aber solche Gruppenstrukturen ergeben sich nicht unbedingt von selbst. Und sie müssen zu jeder Zeit geschützt werden.

Eine Aktionsgruppe

In eigentlich jeder aktiven Gruppe bildet sich über kurz oder lang  eine Kerngruppe. Üblicherweise sind das die Hauptverantwortlichen für die jeweiligen Bereiche. Meist sind sie der Motor der Gruppe, also jene, die am meisten arbeiten und immer dabei sind. Um diesen Gruppenkern herum  gibt es noch das lockerere Team,  das mehr oder minder engagiert, bzw. etwas weniger zeitintensiv mitmacht. Dort finden sich die Neulinge, die noch nicht so viel Erfahrung haben, jene, die einfach weniger Zeit haben, oder diejenigen, die überall dabei sind, aber keine leitende Funktion inne haben wollen. So unterschiedlich wie wir Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Charaktere, Verhaltensweisen  – und die Art sich einzubringen.
Es ist nicht immer einfach, alle Gruppenmitglieder, mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, Wünschen und Fähigkeiten, unter einen Hut zu bringen, und die Dynamik der Gruppe als Ganzes  zu erhalten.  Manchmal ist es geradezu eine Kunst, eine ganz eigene Disziplin,  viele Individualisten zu einer aktiven Gruppe zu vereinen und zusammenzuschweißen – und dennoch sollte man die Förderung des Zusammenhalts   auf keinen Fall vernachlässigen!

Aufbauen

Einige Strukturen werden sich schnell herausstellen: Wer ist besonders engagiert, wer hat besonders viel Zeit, wer übernimmt gerne  schwierige oder besonders viele Aufgaben, wer reißt vielleicht sogar Aufgaben an sich? Das A und O ist hier, damit sich niemand übergangen fühlt: Kommunikation! Und demokratische Strukturen! Paßt euch das Verhalten einer Person so gar nicht? Oder ist einE EinzelneR gegen eine Aktion, die alle anderen toll finden? Es wird immer kleine Krisen geben, und es ist einfach essentiell wichtig, daß so offen wie möglich (aber ohne zu verletzen) geredet, diskutiert und Feedback gegeben wird. Und ganz wichtig: Es sollte gelobt werden! Zeigt einander Respekt und Achtung! Zeigt Freude, Freundschaft und Vertrauen. Und macht immer wieder deutlich, daß ihr jede Bemühung der Anderen anerkennt! Selbstverständlich fällt die Kommunikation, gerade über sensible Themen, immer schwer, besonders, wenn mensch sich noch wenig kennt. Deshalb sollte der Gruppenzusammenhalt gezielt unterstützt und gefestigt werden. Das schafft ihr am besten durch möglichst viel persönlichen Kontakt, auch außerhalb der eigentlichen Gruppenarbeit. Veranstaltet gemeinsame Picknicks, Grillabende, Weihnachtsfeiern, Geburtstagsfeiern, bastelt eure Transpis zusammen, kocht gemeinsam, veranstaltet einen Brunch usw. Die Partylaune, so negativ der Begriff auch besetzt ist, darf  stets anwesend sein! Kreiert, kocht, futtert miteinander. Lacht, macht Scherze. Lacht und weint miteinander!

Aufrechterhalten

Trefft euch, wie gesagt, immer mal wieder rein zum Spaß. So können auch Neulinge viel leichter in die Gruppe integriert werden. Viele Tierrechtsgruppen halten regelmäßig vegane Brunchs ab, zu denen jedeR etwas leckeres Veganes zu essen mitbringt. Oder veranstaltet einfach einen FuSA (Futter-und-Spiele-Abend). Das ist wichtiger, als es vielleicht klingt. An so einem Abend geht es nicht nur darum, miteinander Spaß zu haben, sondern um dabei auch mal Sorgen austauschen zu können. Die ehrenamtliche Arbeit ist anstrengend und undankbar. Mensch erlebt dabei viel Ablehnung und Unverständnis, und hört furchtbare Geschichten. Mensch sieht mißhandelte Tiere, und mensch sieht sich einer ganzen Gesellschaft gegenüber, die ignorant und selbstgerecht wegschaut. Und glaubt uns, jedem und jeder von euch wird es mal so gehen : JedeR wird mal denken, es geht nicht weiter, „ich kann nicht mehr“. JedeR hat privat mal Streß. Jeder Mensch hat mal Liebeskummer, jeder Mensch ist mal mutlos oder verzweifelt…
Und das wird eure Arbeit beeinflussen. Aber wenn ihr damit rechnet, und euch gegenseitig ein Ventil seid und euch gegenseitig stützt,  dann wird es eure Arbeit nicht stark behindern.

Krisen

Und dann kommt sie doch: die Krise
Plötzlich trennt sich ein Pärchen aus der Aktionsgruppe und es bauen sich Fronten auf. Plötzlich zieht die halbe Gruppe aus der Stadt weg, plötzlich fallen drei der aktivsten Mitglieder aus, weil sie in den nächsten Monaten Abi schreiben. Plötzlich sind alle ausgebrannt, weil mensch in letzter Zeit einfach zu hart gearbeitet hat, zu viel erlebt hat, zu viele Rückschläge einstecken mußte. Plötzlich werden alle unsicher, weil die Polizei euch beschuldigt, ein Pelzgeschäft beschmiert zu haben…. Keine Panik! Solche Krisen gibt es überall. Im allerschlimmsten Fall bricht die Gruppe darüber auseinander. Und genau das gilt es  zu verhindern! Setzt euch in Ruhe zusammen und überlegt gemeinsam möglichst sachlich, was jetzt zu tun ist. Erscheint es sinnvoll eine Arbeitspause für ein paar Wochen einzulegen oder das Pensum runterzuschrauben? Sollte jemand anderes einen Bereich übernehmen? Wo liegen die Unzufriedenheiten? Wie kann man die anstehenden Probleme lösen? Reagiert nicht überstürzt und kopflos, sondern besprecht ruhig und strukturiert, was los ist, und was getan werden muß. Was in dieser Situation jetzt absolutes Gift ist, wäre Druck ausüben! Setzt einander nicht unter Druck,  beschuldigt niemanden. Vorwürfe helfen nie weiter, sondern wirken höchstens nachhaltig  verletzend. Macht euch statt dessen nochmals klar, was euch vereint. JedeR sollte sich wieder bewußt machen, daß es bei eurer Arbeit, eurem Engagement, trotz aller Schwierigkeiten, um etwas Wichtiges, Erhaltenswertes geht. Mit Streß, Druck und Panik würdet ihr nur  ein Arbeitsklima schaffen, in dem niemand freiwillig weitermachen würde.

Vertrauensbasis

Eine gewisse Vertrauensbasis ist unabdingbar für gut funktionierende Gruppenstrukturen. Das heißt, nicht nur das Vertrauen, daß interne Dinge nicht weiter erzählt werden,  oder daß mensch  sein Wort hält. Sondern auch, daß keineR in der Gruppe Angst haben muß, mal zu sagen, daß mensch auch mal keine Zeit oder Energie hat. Einfach zu wissen, jetzt meckert keineR rum, sondern ich darf auch mal ausschlafen, und alle freuen sich, wenn ich wieder komme. Und natürlich sollten sich alle darauf verlassen können,  daß niemand gruppeninternen Informationen, Daten, Adressen, Sorgen oder Pläne unbefugt an Außenstehende weitergeben wird!
Überlegt euch, wie ihr vorgeht, wenn ihr bemerkt, daß jemand aus der Gruppe nicht vertrauenswürdig ist oder euch unzuverlässig scheint! Überlegt euch, ob ihr neben den regelmäßigen öffentlichen Treffen auch geschlossene Treffen macht. Überlegt euch, wie ihr eure Vertrauensbasis aufrechterhalten und schützen könnt. Möglicherweise macht es Sinn, nicht jedem Neuling alle internen Infos und sensible Daten zugänglich zu machen. Überlegt euch immer genau, wo, wann, mit wem ihr über was redet! Manchmal kann mensch nicht vorsichtig genug sein!

Datenschutz

Es ist eine traurige aber ernste Wahrheit, daß mittlerweile auch die Tierrechtsbewegung (wie auch viele Umweltgruppen) als politische Bewegung einer großangelegten Überwachung und viel Repression ausgesetzt ist. Da liest mensch auf einmal im Bericht des Verfassungsschutzes, daß die Tierrechtsgruppe aus der Region X (womit  mensch selber gemeint sein kann) in Verdacht steht, kriminelle Handlungen begangen zu haben. Dabei verteilt mensch nur  hier und da mal Flyer. Wenn ihr jetzt denkt, „ich hab doch nichts zu verbergen“, dann seid ihr äußerst naiv!  Denn nur weil mensch nichts  Illegales tut, heißt das nicht, daß mensch alle persönlichen oder vertraulichen Daten bereitwillig offenlegen sollte. Je weniger die staatlichen Überwachungsorgane, also Polizei, Staatsschutz und andere Behörden, über euch wissen, desto weniger können sie euch schaden. Denn auch wenn ihr nur Aktionen durchführt, bei denen ihr sicher seid, daß sie 100%ig legal sind, werdet ihr nicht immer gerne gesehen. Es kann sein, daß es bei eurer letzten Anti-Pelz-Aktion Beschwerden vom örtlichen Pelzhändler gegeben hat, oder die Polizei einfach keine Lust hat, sich mit eurem alle 2 Wochen stattfindendem Infostand rumzuschlagen. Über kurz oder lang werdet ihr damit konfrontiert werden, daß Behörden, Ämter oder sonstwer bei euch nach Fehlern und Schwächen suchen, um euch zuschaden, und eure Gruppe mundtot zu machen. Wenn ihr eure Gruppenstrukturen einsehbar gestaltet, ist deren Verletzlichkeit natürlich viel größer.
Beispiel:
In der Nähe wurde vorgestern Nacht ein Pelzgeschäft mit roter Farbe beschmiert. Die Polizei schaut auf eure Homepage und sieht nicht nur, daß ihr gerne gegen Pelz demonstriert und dabei auch Kunstblut einsetzt, sondern findet Fotos, Namen und Adressen auf eurer Homepage.  Als sie eure unverschlüsselten Mails durchlesen, erfahren sie, das Aktivist Xaver, Aktivistin Yasmin geschrieben hat, er fände es immer super Berichte zu lesen, daß irgendwelche Unbekannten eine Pelzladenfensterscheibe eingeworfen haben. In einer anderen Mail entdecken sie, daß  Xaver und Yasmin für vorgestern Nacht ein Date ausgemacht haben. Obwohl ihr mit der Sache nichts zu tun habt, kombinieren die Beamt*innen, daß die gefunden Mails  klare Indizien dafür sind, daß Xaver und Yasmin in die Sache verwickelt sind.  Und dank der Fotos und Namen auf eurer Homepage habt ihr alle  ein paar Tage später Vorladungen im Briefkasten. So etwas ist ärgerlich, belastend und unnötig.

Praktische Gegenmaßnahmen

Jedes technische Kommunikationsmittel, also Telefone, Handys, Mails, Skype-Telefonate, Chats,  aber ebenso eure Post und Räumlichkeiten können  mitgelesen, abgehört oder durchsucht werden. Menschen können als Spitzel fungieren.  Unzensierte Fotos und unverschlüsselte Mails können ein Risiko darstellen, weil die Infos darin gesammelt und ausgewertet werden. All dies ist keine Phantasie, sondern geschieht schon oft genug in Tierrechtskreisen!
Sensible Mails, Notizen, Daten, Infos, Vernetzungen, inklusive Namen, Adresse, Alter, Autokennzeichen: alles kann gesammelt und gegen euch herangezogen werden! Überlegt euch deshalb genau, was ihr wem sagt und schreibt, welche Fotos ihr online stellt, ob ihr euch beim richtigen Namen nennt usw.!  Schütz euch und eure Mitstreiter*innen vor Repression!
Hier sind ausführliche Informationen zu Repression, die jede/n treffen kann sowie Sicherheitstipps, damit ihr euch schützen könnt.

Rechtskenntnisse

Kennt eure Rechte! Oder kennt zumindest jemanden, der sie kennt! Plötzlich behauptet das Ordnungsamt, ihr müßtet für eure Infostände Gebühren zahlen, oder eure Flyer wären rechtswidrig! Stimmt das? Nein! Aber was tun? Sucht euch Rechtsberatung, bei einer örtlichen Rechtshilfegruppe, einem befreundeten Anwalt, übers Internet oder bei den großen Tierschutz- oder Tierrechtsvereinen, die euch an ihre Anwält*innen weiterleiten können! Ihr solltet euch im Voraus schon überlegen, wohin ihr euch wenden wollt, wenn es mal rechtliche Probleme gibt. Wenn ihr erst damit konfrontiert seid, daß ihr nicht mehr selber weiter wißt, sondern Beratung braucht, ist es außerordentlich entlastend, wenn schon ihr  wißt, wo ihr schnell Hilfe anfragen könnt.